Cordula Frandsen studierte an der Universität Tübingen Amerikanistik. Im Interview erzählt sie, wie sie als Geisteswissenschaftlerin ihren Platz im Marketing fand.
Sie gehören zu den Top 100 Corporate Influencern in Deutschland. Was zeichnet Sie aus?
Ich bin sowohl Influencer-Trainerin als auch selbst Corporate Influencerin, das heißt, ich kenne beide Perspektiven sehr gut. Wer meine Beiträge auf den Sozialen Medien kennt, weiß auch, dass ich mich nicht verbiege, sondern unverblümt und authentisch kommuniziere.
Was machen Sie als Corporate Influencerin?
Ich gehe in Unternehmen oder zu Einzelpersonen und „schlaue“ sie zu professionellen Online-Auftritten auf. Dabei unterstütze ich sie, sich organisch – also ohne Mediabudget – auf den entsprechenden Karriereplattformen zu positionieren. Ich zeige ihnen, wie sie ihre Themen wirkungsvoll kommunizieren, wie sie sich selbst als Experte/Expertin vermarkten und wie sie mehr Aufmerksamkeit für ihre Expertise bekommen.
Wie gelingt es Ihnen, Ihre Ideen vor „Corporate-Glättung“ zu bewahren?
In meiner Agentur gibt es keine Marken-Polizei, die darüber wacht, wie ich poste und welche Themen ich aufgreife. Ich nehme meine Tonalität in meine Postings hinein und erkläre die Dinge in meinen eigenen Worten. Ich finde es wichtig, dass Menschen, die für ein Unternehmen posten, nicht dazu angehalten werden, einen Freigabeprozess zu durchlaufen. Corporate Influencer:innen sollten die Möglichkeit haben, sich so auszudrücken, wie es sich für sie authentisch anfühlt.
Was war Ihr persönlichster Post und wie kam er an?
Vor der Bundestagswahl habe ich einen Beitrag veröffentlicht, in dem ich erzähle, dass meine Eltern als Geflüchtete nach Deutschland kamen. Mir war es wichtig, dieses Thema anzusprechen, um Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte abzubauen. Gleichzeitig wollte ich andere Menschen mit Migrationsgeschichte ermutigen, offen und selbstbewusst über ihre Wurzeln zu sprechen. Der Beitrag kam sehr gut an, er wurde häufig geliked und erhielt viel Zuspruch.
Viele Menschen finden LinkedIn eher unangenehm und viele der Beiträge zum Fremdschämen. Können Sie das nachvollziehen?
Ja, absolut. Besonders unangenehm sind die Postings, in denen Autor:innen versuchen, aus jedem Fehler ein Business Learning zu machen. Wenn die Brücke zu weit geschlagen wird, wirkt das sehr konstruiert. In meinen Workshops zu „Storytelling“ versuche ich zu vermitteln, dass es darum geht, echte, authentische Verbindungen herzustellen. Übrigens: Besonders Geisteswissenschaftler:innen sind gut im Storytelling! Sie wissen, wie man eine gute Geschichte aufbaut und erzählt.
Wie sind Sie im Marketing gelandet?
Durch die verschiedenen Erfahrungen, die ich während meines Studiums machte! Zum einen habe ich während meines Studiums beim Uni-Radio gearbeitet. Dort ging es ums Schreiben, um die Recherche und ums Erklären von ganz unterschiedlichen Sachverhalten – Fähigkeiten, die ich heute tagtäglich anwende. Zum anderen war ich als Tutorin beim „Research und Writing Center“ der Amerikanistik tätig. Dort half ich Studierenden, ihre Texte besser strukturieren und logischer zu argumentieren.
Sie haben in Tübingen Amerikanistik studiert. Was war Ihr größter Aha-Moment vom Übergang von den Geisteswissenschaften in die Welt des Marketings?
Den größten Aha-Moment hatte ich gleich zu Beginn meiner Karriere. Ich nahm als Teilnehmerin an einer Podiumsdiskussion teil, in der es darum ging, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen beim Einstieg ins Marketing zu beraten. In diesem Kontext wurde mir bewusst, dass ich in meinem Amerikanistik-Studium eine sehr wichtige Fähigkeit erlernt habe: unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und zu verstehen, dass unterschiedliche Kulturen unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Am 22. Mai 2025 haben Sie in Tübingen einen Workshop zum Thema „From Humanities to Marketing" gehalten. Was wollten Sie den Studierenden und Ehemaligen mitgeben?
Dass sie sich nicht entmutigen lassen sollen und dass man als Geisteswissenschaftler:in extrem viel kann: schwierige Themen herunterbrechen, komplizierte Inhalte zusammenfassen, Diskurse analysieren, spannende Stories entwickeln, um nur einige wenige Dinge zu nennen. All das sind Fähigkeiten, die man im Marketing sehr gut nutzen kann.
Als Expertin für Networking: Was war Ihr unkonventionellster Ice-Breaker?
Einen wirklichen Ice-Breaker habe ich nicht. Wenn ich auf einer Veranstaltung bin, suche ich mir immer die spannendste Frage aus dem Event aus, frage mich beispielsweise, „Was hat mich hier am meisten beschäftigt?“ Diese Frage nutze ich dann als Ice-Breaker für Gespräche oder als Aufhänger für einen Social-Media-Beitrag.
Das Interview führte Rebecca Hahn.